Mittwoch, August 26, 2009

Südfrankreich: Avignon-Ambrugeat in 48 Stunden


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Die Vorbereitungen:

Man nehme folgende Cocktail-Zutaten:

1 übermütigen Bob, im Folgenden auch KK genannt
5 Tage sonnigstes Wetter
1 vollbeladener Skoda-Fabia
wenig Platz
3 Kleinknechts, die in die Correze reisen möchten
1 MTB, vorzugsweise der Marke Cube
zahlreiches Kartonmaterial

Anschließend werden alle Zutaten sorgsam gemischt und auf kleiner Flamme simmern gelassen. Aber Vorsicht, nicht Aufkochen lassen.

Der schlaue Blick ins Cocktail-Buch verrät jetzt weder den schmackhaften Hotshotter noch einen eher kräftigen Smack-on-the-beach, sondern vielmehr läd er ein in die Abteilung Hochprozentiges, und zwar genauer unter Schnaps ... wie SCHNAPSIDEE.

Nichtsdestotrotz entstand so die Idee, von dem einen Urlaubsort Avignon zum nächsten Ziel Ambrugeat nicht etwa mit dem sonst so agilen Skoda, sondern vielmehr mit eigener Muskelkraft zu reisen. Warum - nun ja, der Platz war nicht da für eine vierte Person im Wagen und zudem hatte KK einfach Bewegungsdrang nach 5 Tagen Entspannungsurlaub.

So entstand also der Plan, den Transfer in 2 Tagen zu bewältigen, während der Rest der Truppe dies in 4 h Autofahrt erledigen sollten. Ausgestattet mit jeder Menge Kartonmaterial sowie der Info, dass lediglich in Le Pey en Verlay eine Jugendherberge sei, reifte nun der Plan bis zu seiner Ausführung. Die letzten Details wurden geplant (Pumpe von Antoine) bzw. besorgt (Ersatzschlauch von E-Leclerq) und etwas aufgeregt ging es in die letzte Nacht.

Abfahrt: 3. August, 7.45 Uhr

Mit frischem Baguette im Rucksack zeigt sich Avignon nicht von seiner schönsten Seite: die Bürgersteige noch hochgeklappt, nieselte es leicht vom Himmel, während ich (KK) mich aufmachte, die knapp 2oo km bis Le Puy zu radeln.
Direkt nachdem die Rhone noch in Avignon sur le pont gekreuzt wurde, erwartete mich flussaufwärts ein getreuer Freund, der mich die nächsten Tage recht häufig heimsuchen sollte: der Gegenwind. Naja, wir sind schlimmeres gewöhnt, auf geht, immer weiter strampeln. Der erste Halt nach ca. 30 km wird genutzt, um das typische Sortiment zu tanken: Taboule, Belag fürs Baguette und jede Menge kohlenhydrathaltiger Getränke - irgendwie muss ich ja noch die nächsten 10 Stunden durchhalten ... So trieb es mich weiter gen Norden und der Tatendrang drängte mich auf die schnelleren Strassen. So lief es in gefolge der roten RN-Schilder zwar schnell, aber alles andere als landschaftlich schön. Egal, Kilometer machen hiess die Devise!

Oh, oh, Mittagspause in Viviers - das Baguette schmeckt schon nicht mehr so toll, ich kriege kaum etwas runter ... sollten mir schon so früh die Beine schwer werden? Und noch hatte ich nicht mal das Rhonetal verlassen. Mir schwant langsam böses. Unruhig treibt es mich schnell weiter, mal schauen, wie es in den Bergen läuft?

In Le Teil (bekannter Ersatzwarenhandel) gehts dann ungeplant links ab. Warum? Intuition? Man weiss es nicht mehr so genau, wahrscheinlich Unruhe. Unglücklicherweise war le Puy ausgeschilder - 120 km über die RN. Das schaffen wir doch bis zum Abend, immerhin hatten wir erst 13 Uhr. Also gut, die geplante Route wirde verlassen.

Dieser Fehler rächt sich leider erst knapp 4 Stunden später, aber dennoch sei hier kurz erwähnt: Never change a winning route - in diesem Fall hätte es Sinn gemacht, erst später aus dem Rhonetal rauszufahren, um nur einen Mörderanstieg bis le Puy mitzumachen.

Aber gut - unwissend über die Fatalität meines Verhaltens strample ich nun die erste wahren Höhenmeter über die ersten Kämme der Cevennen ... bis in einem Anstieg mein Handy klingelt ... CK hat ihr Portemonnaie verloren, MIST! Karten sperren, und weiter. Etwas geladen laufen die nächsten Höhenmeter nun besser, nur kommt der Ernüchterung erster Teil - es geht wieder runter bis Aubenas. Nach kurzem Auftanken im Supermarché die nächste Ernüchterung: ab hier ist nix mehr mit Route Nationale. Fürs Fahrvergnügen zwar gut, fürs Vorankommen aber weniger, geht es nun auf den kleinen Strassen weiter ... Vor Allem heisst dies, immer wieder zu schauen, wie es weiter geht. Gut, dass genau die nächsten Kilometer weder auf der einen noch auf der anderen Karte sind.

Mein Gespür verlässt mich diesmal, obwohl ich den Tränen nahe bin, ebensowenig wie meine profunden Französischkenntnisse ("Est-ce que c'est la route vers le Puy?") und ich habe Glück, dass ich die D578 und ein Nebental der Ardeche finde. Ja, richtig, ich finde den Weg auf die neue Karte, aber bis dahin sind es noch knapp 1000 Höhenmeter. Egal, ich hab ja erst 140 km in den Beinen.

Die nächsten 40 km werden zur Tortour. Knapp ein 10 km/h-Schnitt, immer weiter bergauf, ohne zu Wissen, wann es denn nun endlich vorbei ist. Zudem steigt die Ungewissheit, ob ich es vor Einbruch der Dunkelheit noch bis Le Puy schaffe ... Egal, irgendwann bin ich oben angekommen. Denkste - links und nochmals weiter hoch. Zum Glück ist der Pass ouverte, bei 35°C Spitze auch kein Wunder. Der Wind machts zwar erträglich, aber bremst weiter. Mist, selbst hier oben noch. Als ich gegen 19:00 (ja, 11 h im Sattel) die hier nur fussbreite Loire überrolle uind noch knapp 50 km vor le Puy bin, wird mir klar, dass ich mich übernommen habe. Naja, jetzt heisst es Haltung bewahren (und das bei leicht bis sehr schmerzhaftem Hintern) und weiter strampeln, bis es dunkel wird. Zum Glück funktionieren meine Beine nicht mehr, aber mein Kopf noch (links, rechts, links, rechts ...).

Im beschaulichen Le Beage fasse sehe ich etwas charmantes: einen alten R4. Beindruckt von soviel Schönheit auf einmal frage ich den vermeintlichen Besitzer, wo man denn hier günstig nächtigen könne.

"Ah oui, il y'a un gite", und gastfreundlich wie sie hier so sind, ruft er bzw. seine Freundin direkt noch an und kündigen mich an. Wahnsinn. Leider sinds noch 3 Kilometer, aber egal, berghoch, Augen zu, das Bett ruft.

Selten habe ich mich wohler und gleichzeitig im Allerwertesten gefühlt. Wie mir googlemaps bestätigt, 197 km in den Beinen und großes vor den Augen - Der/die/das Gite liet malerisch im Berg und ich werde bereits erwartet. Dank meiner profunden Psrachkenntnisse kann ich mich auch gleich verständigen, ein Glas kaltes Wasser bestellen und klar machen, dass ich mächtig Schmacht habe.

Aber oui, oui, Abendessen gibt es gleich, ich darf mir aber noch die Spuren der Plackerei abwaschen ... Gesagt getan, und das alles in meinem Einzelzimmer.

Die kulinarischen Einzelheiten kann ich gar nicht mehr ganz auflisten, aber unvollständig war es ungefähr das:

- Salami, Schinken, Pastete, Wurst etc. alles von lokalen Tieren (die Salami ist von dem und dem Schwein :-)
- Hasenfleisch in einer sehr leckeren Sosse
- eine Art Dampfnudeln mit Flusskrebsen und Crevetten
- Lammfilet
- jede Menge Peng, äh pain
- Sorbet aux Mirtilles
- Sorbet aux Verveinne
- fromage noch und nöcher

Wie war das noch gleich mit Gott in Frankreich? Satt und zufrieden (inzwischen kann ich mich ja auch ganz gut an einer Konversation beteiligen, wenn man tempotechnisch etwas Rücksicht nimmt) gehe ich in die Heia. Noch habe ich ja viel vor für den nächsten Tag. Leider kann ich nicht mehr die Sterne geniessen, aber dafür erfreue ich mich der Ruhe und schlafe tief und fest bis 7 Uhr morgens :-)


Und guten Morgen !!! Tag zwei bricht an, noch liegt etwas Hochnebel in den Ausläufern der Cevennen, aber der weicht sogleich meiner Vorfreude - nicht aufs Pedalieren, sondern auf das petit dejeuner. Ordentlich Schmacht und die Ankündigung einer tarte aux myrtilles ...

Naja, gut gespeist geht es dann kurz nach 8 wieder aufs Velo... erstmal abwärts gen Le Puy, d-h- vorher gehts nochmal knapp 200 HM hoch, und dann folgt die fast 40 km lange Abfahrt bis in die Stadt an der Loire. Endlich kommen mir auch mal ein paar andere Velopoden entgegen. In Le Puy dann kurz orientiert, happa happa gemacht (der nächste Supermarche) und dann gehts weiter. Endlich mal konsequent die Departementale D590 lang bis Langeac. Hier eine kurze Überlegung - geradeaus gehts nach Saint-Flour, aber nein, ich entscheide mich gegen spontane Routenänderungen. Langsam gehen mir nämlich endgültig die Kräfte aus, nach ca. 80 km in den Beinen merke ich, dass es auch diesmal nicht mein Tag ist.

Also entschliesse ich mich, weiter bis Brioude zu fahren, um dort mal wieder shoppen zu gehen. Die knapp 30 km sollten zum Kinderspiel werden, ja wenn da nicht mal wieder die französische Streckenführung gäbe. Anstatt mich direkt am Fluss entlang zu führen, bringen mich die Schilder mal wieder auf die heissgeliebet N102. LKW nach LKW habe ich irgenwann wirklich keinen Bock mehr!

Da kommt mir die verspätete Mittagspause in Brioude sehr gelegen. Kurios im Supermarkt, da erzählt die Kassiererin ihrer Kollegin, dass sie vorhin einen Velofahrer auf der Autobahn gesehen hat ... hust hust, ich war's nicht.

Nach dem Mittagsmahl (endlich taboule) gibts eine kurze Telefonkonferenz mit Ambrugeat. Vereinbahrung: ich schlage mich bis Clermond-Ferrand durch, und ab da transportiert mich die Societe Nationale de Chemin de Fer weiter... Wenn mich denn meine Beine bis Clermond bringen.

Aber der Akku ist leer, lehrer als leer, äh, ja, auf jeden Fall bin ich K.O. Die letzten 30 km bis Issoire werden nochmal zur Tortour - heiss, kaum noch Wasser und die Aussicht darauf, es nciht zu schaffen.

In Issoire steige ich dann vom Rad, bleibe noch eine Nacht und laufe dank SNCF um 8:35 in Meymac ein, die letzten 3.5 km nach Ambrugeat mit offenem Gesäss, aber dafür mit netter Begleitung :-) Hauptsache angekommen, wenn auch etwas geknickt!

3 Kommentare:

bernd hat gesagt…

sers berndi,

damit bischt der heißeste kandidat für den längsten post aller zeiten.

grüße
bernd

kakö hat gesagt…

Bernd, das war ja auch die bisher längste Tour. Irgendwie muss ich den Kilometern ja gerecht werden. Und ich hatte ja auch viel Zeit zum Überlegen, was ich so schreibe:-)

bernd

bernd hat gesagt…

sers berndi,

kein affront - vielmehr anerkennende worte ob der vielzahl der wörter

grüßle
berndi